Brief an mich – Alter: 15

Ob Du es glaubst oder nicht. Ich bin Du. Nur etwas älter. So alt, wie Du in dem Alter nicht dachtest, dass man so alt werden kann. Ich bin 44. Fast 3x so alt wie Du jetzt. Ich weiß, Du bist ein Teenager und willst dir nicht viel sagen lassen. Aber bitte, nimm dir ein paar Minuten Zeit.

Lass‘ mich überlegen, was war dir damals besonders wichtig? Du wolltest gerne eine Frau, eine Familie haben. Das wirst Du kriegen. Du wolltest gerne finanziell unabhängig sein, das bist Du. Du hast viel erreicht und kannst stolz auf dich sein.

Aber es wird auch Zeiten geben, wo nicht alles gut läuft. Du wirst nicht materiell reich, Du wirst Diabetes bekommen, Du wirst schwer krank werden, dir wird die Abnabelung von deiner Mutter sehr lange nicht gelingen. Du wirst lange Zeit im Job unglücklich sein, es wird dir lange nicht gelingen, eine zu dir passende Frau zu finden. Du wirst durch ein Tal an negativen Erlebnissen gehen müssen, wie ich es keinem wünsche.

Aber sei und bleib stark, denn dein Mut, durchzuhalten, wird belohnt werden. Irgendwann, wenn Du dem Aufgeben nahe bist, wird sich dein Leben fundamental ändern. Du wirst die menschliche Nähe und Liebe erfahren, die Du dir immer gewünscht hast.

Es gibt aber einen Haken: Du wirst das alles erst bekommen, wenn Du bereit bist, loszulassen. Die Sicherheit aufzugeben ist dafür von Nöten. Ich weiß, dass Du nicht wie mein heutiger Stiefsohn bist, der sehr selbstbewußt und stark ist. Du bist noch tief verunsichert, zu den Opfern noch nicht bereit. Setzt dich nicht unter Druck, irgendwann wirst Du merken, wann es soweit ist, und den neuen Weg erfolgreich gehen.

Ob Du auch erfolgreich gewesen wärst, wenn Du den Weg schon früher gegangen wärst? Keine Ahnung, eine Garantie gibt es halt nicht. Das hier ist das Leben. Es handelt sich nicht um Gebrauchtwagen. Es hätte gut sein können, dass Du gescheitert wärst.

Dein Alex