Mein düsterer Begleiter

Ich fange meinen Blog mit einem Beitrag an, den ich vor ca. 3 ½ Jahren in einer Facebook-Gruppe gepostet hatte:

düsterer Begl

Als ich den Text angefangen habe, war bald ist Weihnachten. Es stellt sich die Frage, wer bekommt welche Geschenke. Frau, Kind, Vater, Freunde. Was ist mit dem düsteren Begleiter?

Komische Frage irgendwie. Dem düsteren Begleiter etwas schenken? Immerhin, er ist immer da. Seit Juli 2014. Kein Tag, kein Aufwachen ohne ihn. Kein sündigen an einem Abend, das sich nicht spätestens am nächsten Tag rächt. Keinen Tag mal Urlaub ohne ihn.

Einerseits verdanke ich ihm mein Leben, denn ich habe früher einen Dreck auf mich geachtet. Andererseits weiß ich, dass er die Macht hat, mir mein Leben auch wieder zu nehmen. Ich lebe sehr gut mit ihm, nicht trotz ihm. Ich mache mehr Sport und ernähre mich gesünder, erst wegen ihm, jetzt wegen mir. Er hat mir geholfen, den Fokus neu einzustellen.

Da waren Tage zu Anfang der Erkrankung, als ich versucht habe, Diabetes mit Mathe zu „besiegen“. Ich habe versucht, aus dem Anfangswert vor dem Essen, dem Kohlehydratanteil (Diabetes ist ja eine Kohlenhydrat-Stoffwechselkrankheit) zu ermitteln, das Insulin zu berechnen und hatte einen Erwartungswert nach dem Essen. Sagen wir 140 mg/dl. An vier Tagen hat das geklappt. Am fünften Tag nicht. Kacke. Der Mensch ist eben keine Maschine. Besonders deutlich bei mir, wo die Bauchspeicheldrüse noch etwas funktioniert. Also habe ich das Zählen gelassen und habe einfach gegessen. Mit dem Hintergedanken aber: Da war doch was…?

Ich dachte immer, etwas wie Diabetes trifft andere, aber nicht mich. Mein Körper hat mir metaphorisch die gelbe Karte gezeigt. Immerhin: Ich habe nicht direkt Rot bekommen. Aber die gelbe Karte behalte ich, bis das Spiel abgepfiffen wird.

Der düstere Begleiter ist für mich ein Begleiter oder ein Berater, aber kein Vorgesetzter. Er sitzt neben mir beim Autofahren, bestimmt aber nicht den Weg. Er steht am Buffet hinter mir, berät mich, was ich essen soll, entscheidet aber nicht, was ich esse. Ich trinke und esse, was mir gut tut und lasse mich begleiten, nicht mehr und nicht weniger.

Wer mich nimmt, nimmt gleich zwei Männer. Meine Freundin hat übrigens auch einen düsteren Begleiter. Also habe wir Platz für uns und die düsteren Begleiter für sich!

Für den Nichtdiabetiker ist Diabetes eine merkwürdige Erkrankung. Man kann sie nicht sehen, höchstens die Auswirkungen. Einen diabetischen Fuß, eine Erblindung, eine Unterzuckerung sieht man, evtl. erkennt man sie auch. Die eigentliche Erkrankung dahinter sieht man nur an Messwerten. Aber glaubt mir, als Diabetiker merke ich sie. Dieses unruhige Zittern, das ich vor euch merke. Die Flecken vor dem inneren Auge, die sehe ich, nicht ihr. Ihr wundert euch höchstens, warum ich schnell auf der Suche nach was süßem bin, was ich sonst wie der Teufel das Weihwasser meide.